Starke Mitte, starke Frau: Lisa Meyer über Beckenboden und Lebensqualität
Der Beckenboden ist ein Thema, über das viele Frauen ungern sprechen – obwohl es entscheidend für ihre Lebensqualität ist. Wir haben mit Lisa Meyer, Hebamme in der Praxis Frauenzimmer Bern AG, gesprochen. Sie berät Frauen zu Inkontinenz, Beckenbodenschwäche und passenden Hilfsmitteln.

Liebe Lisa, seit wie vielen Jahren bist du in der Praxis tätig?
Seit drei Jahren arbeite ich mit einem Pensum von rund 10 % in der Inkontinenzberatung der Praxis Frauenzimmer Bern AG – gemeinsam mit einer Kollegin. Zusätzlich bin ich mit 80 % als Hebamme im Salem-Spital tätig. Auch nach meiner bevorstehenden Pensionierung bleibe ich der Praxis erhalten.
Wie nimmst du das Bewusstsein für den Beckenboden und Intimbereich bei den Patientinnen wahr?
Das ist sehr unterschiedlich: Jüngere Frauen sprechen in der Praxis meist offen über ihren Intimbereich. Für ältere Frauen ist das oft schwieriger – das Thema ist häufig mit Scham besetzt und es fehlt an Wissen. Viele von ihnen wurden mit der Haltung erzogen: „Alles ab Bauchnabel abwärts ist Sünde.“
Oft suchen ältere Frauen erst dann Hilfe, wenn sie schon lange gelitten haben und die Situation kaum noch erträglich ist. Frau Dr. med. Sonja Brandner (FMH Gynäkologie und Geburtshilfe – Schwerpunkt operative Gynäkologie und Urogynäkologie, Frauenzimmer Bern) erhält viele Zuweisungen von Gynäkologinnen, Gynäkologen sowie Hausärztinnen und Hausärzten, die fachlichen Rat einholen möchten.
Schade ist, dass nicht mehr Frauen gemeinsam über den Beckenboden sprechen.
Wann sprichst du das Thema Beckenboden im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt an?
In unserer Praxis führen zwei Hebammen die Schwangerschaftskontrollen durch. Ich selbst arbeite im Gebärsaal und begleite die Frauen während eines kürzeren, aber sehr intensiven Abschnitts ihres Weges.
Welche Hilfsmittel empfiehlst du zur Unterstützung des Beckenbodens?
Wichtig sind in jedem Fall ein gezieltes Beckenbodentraining, ein achtsamer Umgang im Alltag sowie das Bewusstsein dafür, wie zentral der Beckenboden für unsere Lebensqualität ist.
In unserer Praxis arbeiten wir zudem mit verschiedenen Pessaren und Vaginaltampons, beispielsweise RECAfem. Zu Beginn erfolgt eine Anamnese durch die Ärztin, gefolgt von einer Ultraschalluntersuchung des Babybauchs. Gelegentlich sind weitere Abklärungen notwendig, bevor die Frauen zur Beratung zu uns kommen.
Gemeinsam mit den Frauen wählen wir das passende Pessar aus und üben die Handhabung direkt vor Ort. So können die Hilfsmittel im Alltag sicher und selbstständig angewendet werden. In manchen Fällen braucht es eine weitere Beratung, bis das individuell passende Pessar gefunden ist.
Wie erlebst Du die Zusammenarbeit mit Physiotherapeutinnen und Gynäkologinnen?
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist von grosser Bedeutung. Einige Physiotherapeutinnen und -therapeuten haben sich auf den Beckenboden spezialisiert – ein wichtiger Bestandteil für eine ganzheitliche Betreuung. So können wir Frauen in der Praxis Frauenzimmer in den unterschiedlichsten Lebensphasen begleiten – mit oder ohne Beckenbodenprobleme.
Was bietet die Praxis Frauenzimmer Bern AG rund um das Thema Inkontinenz an?
In unserer Praxis betreuen wir umfassend und individuell – von der gynäkologischen Grundversorgung wie Jahreskontrollen, Verhütungs- und Impfberatung über die Abklärung und Behandlung von Blasenbeschwerden, Inkontinenz und Senkungen bis hin zur Schwangerschaftsbetreuung, Pränataldiagnostik und Geburt im Salem-Spital. Auch bei unerfülltem Kinderwunsch oder Tumorerkrankungen erhalten Patientinnen fachkundige Unterstützung in enger Zusammenarbeit mit Spezialistinnen, Spezialisten und dem Zentrumsspital.
Hast du ein Beispiel, das dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Ja, eine Frau erzählte, dass sie sich aufgrund einer Blasensenkung lange Zeit nicht mehr ins Meer wagte – aus Angst, die Blase könnte plötzlich „herausrutschen“. Im Gespräch konnten wir ihr anhand einer anatomischen Erklärung diese Sorge nehmen: Nicht die Blase selbst tritt nach aussen, sondern die Vaginalschleimhaut, welche die Blase stützt. Diese Information war für sie sehr beruhigend. Nach einer Untersuchung und der erfolgreichen Anpassung eines Pessars konnte sie ihre Angst überwinden – und geniesst heute wieder unbeschwert das Schwimmen im Meer.
Ist das Thema Sexualität in deinen Beratungen relevant?
Ja, je nach Lebenssituation und ob ein aktives Sexualleben besteht, berichten einige Frauen von Ängsten und Schamgefühlen. So erzählte uns eine 80-jährige Patientin, dass sie sich operieren lassen wollte – aus Sorge, ihr Mann könne sie verlassen, weil es beim Geschlechtsverkehr gelegentlich zum ungewollten Urinverlust kommt.
Wie beurteilst du die Unterschiede bei Patientinnen in verschiedenen Lebensphasen?
Bei älteren Frauen spielt häufig der Östrogenmangel eine Rolle – er kann die Schleimhäute empfindlicher und anfälliger machen. Wichtig ist jedoch: Inkontinenz betrifft Menschen in allen Altersgruppen.
Welchen Rat gibst du Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt?
Wir empfehlen, frühzeitig auf den Beckenboden zu achten und die Betreuung durch Hebammen zu nutzen. Vorbeugende Massnahmen und eine gute Begleitung sind wichtig.
Fazit
Inkontinenz betrifft viele Frauen – unabhängig vom Alter. Das Bewusstsein für den Beckenboden und die Möglichkeiten, die es gibt, müssen weiter gestärkt werden. Die Praxis Frauenzimmer Bern AG zeigt eindrücklich, wie individuelle Beratung, passende Hilfsmittel und interdisziplinäre Zusammenarbeit Frauen helfen, ihre Lebensqualität zu verbessern.